++ Dies ist ein Gastbeitrag von Sarah Appelt @ Chalo Reisen. ++
Seit einer Woche nehme ich nun schon am Alltag der kleinen Ashram Gemeinschaft des Shri Jasnath Asan Ashrams im westlichen Rajasthan teil. Es ist mein erster Ashram Aufenthalt dieser Art und ich genieße ihn sehr.
Die Shri Jasnath Tradition
Der Shri Jasnath Ashram wird von einem Guru geleitet, der die Jasnath Tradition folgt, einer Absplitterung des Hinduismus, die den Gott Shiva verehrt. Der jetzige Guru ist der 13. Guru in einer Kette von Gurus und Schüler. Der erste Guru war Jasnath selbst (daher der Name), der schon im Alter von 24 Jahren nahe Bikaner im 14 Jahrhundert (westliches Rajasthan) die Erleuchtung (Maha Samadhi) erlangt hat. Sein Schüler wurde der nächste Guru und dessen Schüler wiederum ließ sich hier, im kleinen 4000 Einwohner Dorf Panchla Siddha nieder, als er von seinem Anhänger, dem König von Udaipur, eine kleine Burg geschenkt bekam.Seitdem lebten alle nachfolgenden Gurus hier in dem Ashram.
Ähnlich wie im Buddhismus, wählen die Gurus einen Schüler aus, der der nachfolgende Guru wird. Der jetzige dreizehnte Guru Surajnath ist 42 Jahre und wurde als kleiner fünfjähriger vom damaligen Guru „adoptiert“ und von ihm und den anderen Schülern aufgezogen und ausgebildet.
Anhänger der Shri Jasnath Gemeinschaft
Die Gurus spielten und spielen noch heute besonders aufgrund ihre Bildung eine wichtige Rolle für ihre Anhänger, die aus rund 700 000 Gläubigen besteht. Sie kommen aus Nah und Fern, um den Tempelkomplex zu ehren in denen sich auch die Gräber der vorherigen Gurus befinden (in dieser Absplitterung des Hinduismus werden die toten Körper nicht verbrannt sondern beerdigt), um von ihrem Guru gesegnet zu werden. Sie kommen bei finanziellen, mentalen oder körperlichen Problemen um sich von ihm spirituell beraten und heilen zu lassen.
Viele der Pilgerer kommen nur für einen kurzen Besuch, manche bleiben aber auch für einige Tage, andere sogar für einige Jahre, um mit ihrem Guru zu leben und ihm und der Gemeinschaft als Sevaka mit ihrer Arbeitskraft zu dienen.
Im Ashram als Karma Yogi
Auch ich bin in diesem Ashram als Sevaka. Das heißt ich lebe, esse und schlafe hier, nehme an den täglichen Yogastunden, den abendlichen Kirtan (Chanten von heiligen Texten) und Satsang (Zusammenkunft mit dem Guru, um den Pfad des Wissens zu beschreiten) teil und verrichte zusätzlich sechs Stunden am Tag Karma Yoga.
Diese sechs Stunden bestehen zum Teil aus ganz alltäglichen Arbeiten wie Putzen, Kochen und Gartenarbeit, aber beinhalten auch Tätigkeiten, bei denen man nach seinen besonderen Fähigkeiten, Ausbildungen oder Talenten eingesetzt wird. Ich, als Yogalehrerin und Therapeutin, unterrichte hier zum Beispiel Yoga, habe die Kinder Yoga Stunde übernommen und helfe bei der Betreuung von Patienten.
Die Anlage des Ashrams
Der Ashram, wie bereits erwähnt, befindet sich in einer alten Burg, die auf liebevolle Weise von Guru ji (ji ist eine Silbe mit der Höflichkeit und Respekt ausgedrückt wird) restauriert und ausgebaut wurde.
Hier gibt es viele Grünflächen, verschiedene Tempel, eine Yoga Halle, einen Speisesaal, eine Küche, Gästezimmer, eine Bibliothek, einen Ayurveda Bereich, einen Garten und einen großen Daramshala (Schlafsaal) für Sadhus, Baba jis und andere Pilgerer. Jeder der mag, kann hier kostenlos essen und schlafen.
Projekte und Programme des Ashrams
Außerdem gibt es etwas außerhalb des Ashrams eine Auffangstation für alte, kranke und ungewollte Kühe, die keiner mehr haben möchte, da sie keine Milch geben. Momentan wird sich hier um 200 Kühe gekümmert. 100 Km weiter Richtung Jodhpur gibt es eine Waldschule. Beide werden vom Ashram unterhalten.
Darüber hinaus werden mehrtägige Camps zur Stärkung von Frauenrechten für Mädchen gegeben und es finden immer wieder wochenlange residuale Programme zur Behandlung von Migräne, Diabetes oder anderer Erkrankungen von Patienten statt.
Der Ashram ist fast komplett autark. Das Gemüse kommt aus dem Garten, Milch von den beiden Kühen und das Trinkwasser ist frisch aufgefangenes Regenwasser.
Die Bewohner des Ashrams
Manchmal kommen zu bestimmten Festtagen bis zu 10000 Menschen um hier gemeinsam zu beten und zu feiern.
Normalerweise ist diese Ashram Gemeinde jedoch sehr klein und besteht aus 10-20 Menschen, die man alle schnell kennen lernt und lieb gewinnt.
Da gibt es Papu, den guten Koch, Kamala, die hier mit ihren Kindern für einige Wochen lebt und mit in der Küche hilft und mir eine sehr gute Freundin geworden ist. Dann ist da Baba ji, der Priest, der die religiösen Rituale ausführt. Ramu ji der Gärtner, der mit ganzen Hingabe dem trockenen Wüstenboden Tomaten, Spinat, Kartoffeln, Rote Beete, Auberginen und sogar Salat entlockt und einige andere, die mit bei den anfallenden Tätigkeiten helfen.
Mein Leben im Ashram
Ich fühle mich sehr wohl unter ihnen, fühle mich aufgenommen und kann ganz natürlich ich selbst sein. Natürlich spricht kaum einer von ihnen Englisch. Doch auch wer nicht Hindi spricht, kann sich hier schnell ganz unkompliziert verständigen.
Auch die Kinder, die aus dem Dorf zur Nachmittagsyogastunde kommen sind toll. Sie begreifen schnell, sind offen und haben mich auch gleich zu sich nachhause genommen wo ich ihre Familien kennen lernen und Kühe melken durfte!
Mit den Tagen, die hier in ihrer Regelmäßigkeit vergehen, scheint es mir, als sein ein Leben im Ashram genau das Richtige. Ich liebe diesen eintönigen Rhythmus, die spirituelle und meditative Ausstrahlung des Ortes, der mich schnell in eine tiefe Yoga Praxis führt und die viele Zeit, die man sich für sein Studium von heiligen Yoga Schriften nehmen kann. Seit meinem Tag der Ankunft bin ich ganz entspannt, ausgeglichen und zufrieden.
Die rajasthanische Küche
Natürlich trägt auch das leckere und gesunde Essen an den zwei Hauptmahlzeiten um 11 Uhr und 18:30 dazu bei. Die vegetarischen Rajasthanischen Speisen sind sehr abwechslungsreich und bestehen oft aus einem Gemüse, einem Linsengericht, Jogurt, Salat und auf dem Feuer geröstete Fladenbrote.
-> Hier erfährst du, wie du ein köstliches, original indisches Reisrezept selbst zubereiten kannst.
Oft helfe ich Papu in der Küche. Ich muss gestehen, nicht ganz uneigennützig, da ich die Zubereitung der raffinierten Speisen lernen möchte. Doch oft bestehen die Gerichte aus noch nie gesehenen Linsen, Getreiden oder Blättern, die nur hier heimisch sind und wohl nirgends zu bekommen sind. Da lasse ich es mir doch gleich doppelt schmecken.
Mein normaler Ashram Tag sieht in etwa wie folgt aus:
- 6:30-7:30 Yoga Unterricht
- 8:00 Tee und ein leichtes Frühstück
- 8:30-11 Uhr Seva Arbeit wie Kochen, Putzen (erst heute habe ich die Gemeinschaftstoiletten geputzt) oder Patienten Betreuung
- 11:00 Uhr Brunch
- 12:00-13:30 Patienten Betreuung
- 13:30- 16:00 Vorbereitung des Kinderyoga, Selbststudium und Entspannung
- 16:00 Tee und Hilfe in der Küche
- 17:00-18:00 Kinder Yoga
- 18:30 Abendessen
- 19:30 Kirtan
- 20:00 Satsang
- 20:30 Diskussion über die Patienten
- 21:00 Ruhezeit
Feste, Pujas und Feiertage
Ich mag diesen regelmäßigen Alltag und freue mich dann aber auch auf eventuelle Besonderheiten. So kamen erst gestern 50 bis 100 Frauen die hier ein Fest feierten und bunt geschmückt den Ashram besuchten. Heute Abend werde ich Guru ji, der hin und wieder zu seinen Anhängern nach hause eingeladen wird um Familien zu segnen, in ein Dorf begleiten und in zwei Tagen findet hier ein großes Fest anlässlich Navaratris (Neuntägiges Festival zur Verehrung der weiblichen Gottheiten und zum Wechsel der Jahreszeit) statt, zu dem mehrere Tausend Pilger erwartet werden.
Jeder ist willkommen!
Allen, die ein wenig Ruhe und Frieden suchen, tiefer in ihr Yoga Studium oder in die indische Kultur eintauchen wollen, auf der Suche nach sich selbst sind oder einfach nur einmal eine Abwechslung und etwas Erholung brauchen, kann ich eine Zeit in diesem Ashram empfehlen.
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